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62. Novelle der Kraft­fahr­gesetz-Durch­führ­ungs­ver­ord­nung


Diese Novelle der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung hat neben ein paar notwendigen redaktionellen Korrekturen vor allem folgende – zum Teil gewaltige! – Änderungen zum Inhalt:

Fahrstundenanzahl für die Hauptschulung der Klasse B

Bisher galt: Die Fahrlektionen der Hauptschulung richten sich nach den Fähigkeiten und dem Können des Ausbildungswerbers. Diese an sich vernünftige und flexible Regelung hat jedoch in der Praxis immer wieder zu Problemen geführt – unseriös arbeitende Fahrschulen haben Kunden mit nicht ausreichender Ausbildung zur Prüfung geschickt, um an den (bei diesem Geschäftsmodell erheblichen) Wiederholungsgebühren zu verdienen.

Wer ab dem 1. Dezember 2016 die Vollausbildung in der Fahrschule beantragt, muss zumindest sechs Lektionen für die Hauptschulung absolvieren. Die Mindestzahl der zu absolvierenden Fahrstunden beträgt daher 18 Fahrlektionen bei der Klasse B; das gilt auch dann, wenn das „L“ zusätzlich beantragt wird, ohne eine fixe Kilometerzahl nachweisen zu wollen. Die Anzahl der Fahrstunden bei der regulären Ausbildung mit „L Übungsfahrten“ und bei „L17 Ausbildungsfahrten“ bleibt unverändert.

Angleichung der erforderlichen Ausbildungsinhalte beim Erwerb der Klasse B mit Übungsfahrten bei Vorbesitz der Klassen A1 oder F

Die Möglichkeit, den im Rahmen des Erwerbes der Lenkberechtigung der Klasse A1 oder F absolvierten Theoriekurs über das Grundwissen für alle Führerscheinklassen („Basiskurs“) beim nachfolgenden Erwerb der Lenkberechtigung der Klasse B anzurechnen, wurde sowohl für den Erwerb der Klasse B im Weg der Vollausbildung in der Fahrschule (§ 64b Abs. 4 KDV) als auch für die Ausbildung mit Ausbildungsfahrten „L17“ (§ 2 Abs. 1 Z 1 FSG-VBV) vorgesehen. Die Ausbildung mit Übungsfahrten („L“) ist zwar im § 122 KFG normiert, durch eine umfassende Verordnungsermächtigung kann die zur Gleichstellung aller Ausbildungswerber benötigte Änderung im Verordnungsweg veranlasst werden.

Leider hat das Verkehrsministerium nicht den vernünftigen Weg eingeschlagen, sondern eine sachlich nicht nachvollziehbare Regelung, die außerdem den Intentionen des Gesetzgebers widerspricht, geschaffen:

Personen, die bereits im Besitz einer Lenkberechtigung, ausgenommen Klasse AM, sind, sind anstelle der unter Z 1 bis Z 8 genannten Inhalte jedoch Lehrinhalte aus dem Lehrplan für die angestrebte Klasse im Ausmaß von 8 UE zu vermitteln. 


§ 65b Abs. 2 KDV

Warum die gewählte Lösung nicht sinnvoll ist

Übungsfahrten sind gem. § 122 Abs. 1 KFG nur für eine Lenkberechtigung für Kraftwagen zulässig, daher scheiden die Klassen A1, A2 und A aus. Nachdem die Klassen C1, C, D1 und D nur an Personen erteilt werden kann, die die Klasse B bereits besitzen, bleiben nur zwei Fälle über:

  • Ausdehnung von A1 auf F mit Übungsfahrten: Für diesen Fall besteht beim BMVIT die Rechtsmeinung, dass Übungsfahrten grundsätzlich nicht möglich sind. Nachdem die Theorieausbildung für die Klasse F lediglich vier Unterrichtseinheiten beträgt, wäre es auch höchst abstrus, diese doppelt besuchen zu müssen, um auf die geforderten acht Theorielektionen zu kommen
  • Ausdehnung von A1 oder F auf B: Das Grundwissen für alle Klassen ist in beiden Fällen bereits komplett absolviert (Kursbesuch und Theorieprüfung) und wird auch nicht neuerlich geprüft. Da der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bei der „Selbstausbildung durch Übungsfahrten“ nur für bestimmte, besonders relevante Themen verpflichtend den Fahrschulbesuch vorschreibt („Teilobligatorium“), ist es wenig sinnvoll und sachlich nicht gerechtfertigt, in diesen Fällen einfach andere Inhalte vorzugeben – nach dem Motto „Hauptsache, er hört acht Stunden in der Fahrschule zu“

Warum die gewählte Lösung den Intentionen des Gesetzgebers widerspricht:

Die Maßnahmen zur Verminderung des „Anfängerrisikos“ müssen fortgesetzt werden. Nach der am 1. Oktober 1987 in Kraft gesetzten Reform der Lenkerprüfung wird demnächst ein allgemein verbindlicher Fahrschullehrplan mit Verordnung [...] erlassen werden. Hiedurch vergrößert sich der Abstand zwischen der Fahrschul- und der Laienausbildung (im Wege von Übungsfahrten) noch mehr als bisher. Im Interesse der Verkehrssicherheit an einer gediegenen Ausbildung sollen daher die Bewerber um eine Lenkerberechtigung mit Übungsfahrten wenigstens ein gewisses Maß an Fahrschulausbildung genießen; diese wird hauptsächlich im Bereich der sogenannten Gefahrenlehre und von bestimmten Fahrübungen bestehen [...].


Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 12. KFG-Novelle, mit der die obligate Teilausbildung bei Übungsfahrten eingeführt wurde

Sinnvoller Lösungsvorschlag

§ 65b. Abs. 1 Z 1 lautet: „eine theoretische Schulung im Ausmaß von mindestens acht Unterrichtseinheiten (UE), sofern der Basisunterricht für alle Klassen gem. § 64b Abs. 4 nicht bereits im Rahmen des Erwerbs einer anderen Lenkberechtigungsklasse absolviert wurde,

Vorgeschlagenes wording

„Mit der Umsetzung der 3. Führerscheinrichtlinie und der dadurch erforderlichen Einführung der Klasse A1 kommt es beim nachfolgenden Erwerb der Klasse B beim erforderlichen Theoriekurs zu unterschiedlichen Erfordernissen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Gleiches gilt für die Erweiterung der Lenkberechtigung der Klasse B bei Vorbesitz der Klasse F.

Durch ein Redaktionsversehen ist die entsprechende Änderung des § 65b KDV unterlassen worden, was dazu führt, dass diese Kandidaten erneut acht Unterrichtseinheiten eines bereits absolvierten Theoriekurses absolvieren müssen. Dies ist weder beabsichtigt noch sachlich gerechtfertigt, da diese Inhalte bei der Theorieprüfung ohnehin nicht neuerlich geprüft werden.“

Pragmatische Zwischenlösung?

In guter BMVIT-Tradition wäre ein „verordnungsändernder Erlass“ anzustreben, um einerseits Kunden unnötige zeitliche und finanzielle Aufwendungen zu ersparen und andererseits die Strafbarkeit von Fahrschulen im Rahmen von Kontrollen hintanzuhalten. 

Nachtfahrten im Rahmen der Fahrausbildung

Mit dieser Formulierung (die dem Erlass vom 10. Juli 2015 nachgebildet ist) soll nunmehr auch auf Verordnungsebene klargestellt werden, wann eine Nachtfahrt als Nachtfahrt gilt: Bei Nachtfahrten handelt es sich um Fahrten bei Dämmerung oder Dunkelheit, die zwischen dem astronomischen Sonnenuntergang (Beginn der zivilen Abenddämmerung) und Sonnenaufgang durchgeführt werden.

Auf Nachtfahrten im Rahmen der Fahrschulausbildung kann ab 21. Oktober 2016 verzichtet werden, wenn Übungsfahrten („L“) absolviert werden, „da die Nachtfahrten erfahrungsgemäß ohnedies im Rahmen der privaten Fahrten gemacht werden“. Das gilt – unabhängig vom Antragsdatum im Führerscheinregister! – auch für bereits laufende Ausbildungen sowie auch dann, wenn die Übungsfahrten zusätzlich zur normalen Fahrschulausbildung beantragt werden, ohne die vollen 1.000 km Selbstausbildung zu absolvieren.
Zum Vergleich: Bei Ausbildungsfahrten („L17“) ist bereits seit 1. März 1999 keine Nachfahrt im Rahmen der Fahrschulausbildung vorgeschrieben.

Um mehr Flexibilität zu schaffen, können Nachtfahrten auch schon im Rahmen der Hauptschulung gemacht werden, und nicht wie bisher zwingend erst im Rahmen der Perfektionsschulung.

Geschwin­dig­keits­beschränk­ung mit Spikesreifen

Im Sinne einer leichteren Merkbarkeit ist es sinnvoll, die Geschwindigkeitsbeschränkung für Kraftfahrzeuge und Anhänger, die mit Spikesreifen versehen sind, wie bei den anderen Beschränkungen zu ändern, d.h. Autostraße und Autobahn haben das gleiche Tempo:

  • Freilandstraßen ... 80 km/h
  • Autostraßen und Autobahnen ... 100 km/h

Die betroffenen Prüfungsfragen 481/482 und 689/691 sind bereits im Hinblick auf die neue Rechtslage formuliert. Sie wurden beim Update des Fragenkatalogs im März 2016 inaktiv gesetzt und seither nicht abgefragt. Ab 29. Jänner 2017 werden diese Fragen bei der Prüfung gestellt.

Preise für Kennzeichentafeln

Der Preis für die Kennzeichentafeln wird per 1. Dezember 2016 um rund 16 Prozent angehoben. Das Entgelt für die Hersteller von Kennzeichentafeln ist seit 2002 (anlässlich der Einführung der „Euro-Kennzeichen“ mit der 48. KDV-Novelle) unverändert. Die Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport sowie die Lohnkosten sind seither aber um mehr als 20 Prozent gestiegen.

Bei den „gewöhnlichen“ PKW-Kennzeichentafeln bedeutet das eine Anhebung von 9 Euro auf 10,50 Euro für eine Einzeltafel bzw. von 18 Euro auf 21 Euro für einen Doppelpack (vorne/hinten); bei Motorrädern erhöht sich der Preis von 9,80 Euro auf 12 Euro.

Abschaffung des Kennzeichens für Wien-Umgebung

Der Bezirk Wien-Umgebung wird ab 1. Jänner 2017 auf andere Bezirke aufgeteilt, „WU“ wird daher als Kennzeichen-Kürzel gelöscht. Für aufrechte Zulassungen gibt es Übergangsregelungen ... und für Klosterneuburg mit der 67. KDV-Novelle ein Weg gefunden, die Schmach des Tullner Kürzels loszuwerden.

Weitere Änderungen

  • Die bisherigen Bestimmungen betreffend reflektierende Warnmarkierungen passen zwar für die Kennzeichnung von Hubladebühnen, bereiten aber Schwierigkeiten bei der Kennzeichnung von Anbaugeräten. Daher wird die bisherige Bestimmung geteilt und die Anforderungen an reflektierende Warnmarkierungen zur Kennzeichnung von Anbaugeräten werden neu festgelegt. Dabei wird klargestellt, dass diese bei Anbaugeräten von vorne und hinten sichtbar angebracht werden müssen und dass die handelsüblichen Größen von 285 x 285 mm zulässig sind. Die Anbringung auf flexiblem oder klappbarem Trägermaterial ist nicht notwendig
  • Der Zeitraum für die Verwendung von bis zu 24 m langen Omnibussen mit Personenanhängern wird nicht mehr befristet
  • Transporte von abgebauten Schneidwerken durch Mähdrescher mit dafür vorgesehenen gezogenen Geräten sollen bis zu 24 m Länge keine Ausnahmebewilligung benötigen, sofern die Breite des Zugfahrzeuges (3,30 m) nicht überschritten wird (im Entwurf waren „nur“ 22 m vorgesehen)
  • Wenn die Fahrzeugbreite von Zugmaschinen wegen gewendeter oder zusätzlich angebrachter Räder 2,55 m überschreitet, beträgt die Höchstgeschwindigkeit nicht mehr generell 25 km/h, sondern nur mehr auf Fahrten im Ortsgebiet, bei Dunkelheit oder schlechter Sicht sowie auf engen und kurvenreichen Strecken
  • Die Geschwindigkeitstafeln (z.B. für Traktoren oder landwirtschaftliche Anhänger) werden derzeit in unterschiedlicher Form (in Österreich eckig, in Deutschland rund) ausgeführt. Künftig soll das runde Schild auch in Österreich verwendet werden dürfen ... allerdings steht in Deutschland nur die Zahl auf dem Schild, in Österreich auch der Zusatz „km“. Dass jener entfallen kann, steht nirgedwo ...

Aus dem Entwurf nicht umgesetzt wurde ...

  • Die derzeitige Form des (für Laien ohnehin unfassbaren) § 1d über Auspuffgase ist nicht mehr aktuell (außer Kraft getretene EU-Richtlinien, Verweise auf direkt wirkende EU-Verordnungen, ...) und zeitgemäß. Daher muss die Bestimmung komplett neu formuliert werden – sie landet in der 63. KDV-Novelle