Zum Inhalt springen

36. Novelle des Kraftfahrgesetzes

Inhalt dieser Novelle sind neben ein paar größeren Projekten auch eine sprachliche Bestandsbereinigung: Einige historische Schmankerln werden entsorgt, z.B. das „Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr“, die Führerschein„gruppen“ und die „Lenkerberechtigung“. Für alle jene, die das bisher nicht wussten (oder wahrhaben wollten), wird ergänzt, dass die in diesem Bundesgesetz verwendeten Funktions- und Personenbezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen sind. 


Fahrschulstandorte und -außenkurse

Derzeit darf jeder Fahrschulinhaber nur eine (also: 1) Fahrschule leiten. Um diese Einschränkung elegant zu umgehen, behilft man sich mit Außenkursen. Diese waren einst dafür gedacht, die entlegenen Gebirgstäler Österreichs mit den Segnungen des Kraftfahrwesens vertraut zu machen. Heute kommt es nicht gerade selten vor, dass ein (nahezu) vollwertiger Fahrschulstandort unter dem Titel „Außenkurs“ betrieben wird. Dabei ist jedoch für jeden abzuhaltenden Theoriekurs eine neue Außenkursbewilligung erforderlich – viel Aufwand, den die Behörden einsparen möchten.

Die derzeit gültige Beschränkung auf nur eine Fahrschule pro Person wird ab 1. Juli 2019 aufgegeben, gleichzeitig werden die Außenkurse gestrichen. Bereits begonnene Außenkurse dürfen noch bis 30. September 2019 weitergeführt werden. In Zukunft sind mehrere Fahrschulbewilligungen für eine Person möglich:

  • Der Inhaber einer Fahrschule kann zwei Standorte selbst leiten, wenn die beiden Standorte nicht mehr als 50 km Luftlinie voneinander entfernt sind
  • Für weitere Fahrschulstandorte muss ein Fahrschulleiter nominiert werden. Jeder Fahrschulleiter kann selbst auch zwei Standorte leiten, die wiederum höchstens 50 km voneinander entfernt sein dürfen

Die bisherigen Außenkurse entfallen mit gleichem Termin; begonnene Außenkurse dürfen natürlich regulär zu Ende geführt werden. In diesem Zusammenhang sollen auch die Rahmenerfordernisse für einen Fahrschulstandort neu definiert werden. Dafür ist die KDV (mit der 65. Novelle) zuständig.

Kindersitzpflicht: 135 cm statt 150 cm Körpergröße

Bisher waren Kinder bis zu einer Größe von 150 cm mit speziellen Kinderrückhalteeinrichtungen zu sichern, größere Kinder mit dem normalen Sicherheitsgurt. Ab dem Tag nach der Kundmachung des Bundesgesetzblattes sind nur mehr Kinder, die kleiner sind als 135 cm, mit speziellen Kindersitzen zu sichern. Ab 135 cm Körpergröße reicht die der normale Sicherheitsgurt.

Diese Möglichkeit ergibt sich aus der Richtlinie 2003/20/EG zur Änderung der Richtlinie 91/671/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen. Damit soll auch die derzeitige Gewichtsproblematik entschärft werden, wenn das Kind zwar nicht größer als 150 cm ist, aber bereits mehr als 36 kg wiegt: Die Prüfnorm der ECE-Regelung 44 geht nur bis 36 kg ...

Inkrafttreten: Mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt.

Betroffene Prüfungsfragen für die Klasse B: 1407, 1651, 1648, 1650

Fahrlehrerausbildung: Lehrplanseminar statt Fahrpraxis-Nachweis

Fahrlehrer und Fahrschullehrer müssen als Voraussetzung für ihre berufliche Tätigkeit (unter anderem) glaubhaft machen, dass sie mindestens ein Jahr lang Fahrzeuge jener Klassen tatsächlich gelenkt haben, für die sie Lenker ausbilden. Das gilt auch im Falle von Ausdehnungen vorhandener Berechtigungen auf weitere Klassen, was bei A oder BE jetzt nicht so das große Problem darstellt.

Anders schaut die Sache bei den Klassen C, D oder F aus, da die betroffenen Personen ja bereits als Fahrlehrer tätig sind und daher eher schlecht nebenbei auch noch als Kraftfahrer arbeiten können bzw. es auch nicht ganz einfach ist, die Traktor-Fahrpraxis in städtischem Gebiet zu sammeln. Die meisten in den letzten Jahrzehnten ausgestellten Bestätigungen sollte man also nicht allzu genau hinterfragen ...

Bis zu 21. KFG-Novelle gab es noch die Möglichkeit eines Dispenses von der Praxis, wenn aus anderen Gründen anzunehmen ist, dass der Fahrlehrer-Aspirant „eine ausreichende fachliche Befähigung“ besitzt. Dazu wurden von Fahrlehrer-Ausbildungsstätten sogenannte „Praxisersatzseminare“ angeboten. Ab 1. April 2019 soll auf diese zwingende Fahrpraxis verzichtet werden und alternativ dazu auch die Absolvierung eines Lehrplanseminars (vergleichbar dem früheren „Praxisersatzseminar“) ausreichend sein.

Fahrzeugänderungen mit Verschlechterung des Emissionsverhaltens

Bislang war die Anzeige von Abänderungen, die die Umweltverträglichkeit beeinflussen konnten, nicht verpflichtend vorgeschrieben. Fahrzeugänderungen, die eine Verschlechterung des Emissionsverhaltens des Fahrzeuges zur Folge haben, werden ausdrücklich für unzulässig erklärt. Weiters soll auch das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung auf dem Markt von Abschalteinrichtungen oder von Gegenständen zum Deaktivieren oder Manipulieren der emissionsmindernden Einrichtungen für unzulässig erklärt werden. Manipulationen oder Deaktivierungen von Abgasnachbehandlungssystemen (SCR-Abschaltung durch AdBlue-Deaktivierung, ...) oder von Partikelfiltern sollen dadurch verboten werden.

Leistungsverändernde Eingriffe in die Motorsteuerung (Chip-Tuning) sollen nur dann zulässig sein und nur dann genehmigt werden dürfen, wenn durch einen Prüfbericht nachgewiesen ist, dass alle für das Fahrzeug relevanten Emissionsvorschriften weiterhin eingehalten werden. Dieses Verbot umfasst auch das Anbieten oder Bewerben der Durchführung solcher Änderungen, ebenso wie das Anbieten oder Bewerben von nicht genehmigungsfähigem Chip-Tuning.

Pickerl-Gutachten online abfragen

Die in der Begutachtungsplakettendatenbank enthaltenen Gutachten sollen ohne personenbezogene Daten abfragbar werden. Die Betreiber der Begutachtungsplakettendatenbank können dafür eine spezielle Abfragemöglichkeit einrichten und dürfen dafür auch einen angemessenen Kostenbeitrag verrechnen. Die Abfrage soll nur über die Suchkriterien Erstzulassungsdatum und entweder Kennzeichen oder Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN) des Fahrzeuges möglich sein.

Ausstattung mit Blaulicht

Es wird die Möglichkeit geschaffen, dass auch Fahrzeuge der Bergrettung, der Höhlenrettung und der Wasserrettung, die für dringende Einsätze im Rettungsdienst, bei Großschadensereignissen oder zur Katastrophenhilfe verwendet werden, mit Blaulicht ausgrüstet werden dürfen, ohne darum extra ansuchen zu müssen („ex lege“).

Fachärzte und Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die auch tatsächlich Hausgeburten durchführen, werden den Hebammen gleichgestellt und können eine Blaulichtbewilligung erhalten.

Duplikate von Typenscheinen bzw. Datenauszügen aus der Genehmigungsdatenbank

Als Schutz vor Betrugsfällen durch Mehrfachbelehnungen von Fahrzeugen bzw. unzulässige Veräußerungen soll vor der Ausstellung eines Duplikates eines Fahrzeug-Genehmigungsdokuments bzw. des Datenauszugs aus der Genehmigungsdatenbank zwingend eine Abfrage über eine dafür vorgesehene Datenbank durchgeführt werden, um zu klären, ob die Originaldokumente allenfalls bei einer anderen Stelle hinterlegt sind. Ist das Fahrzeug in der Datenbank eingemeldet, wird kein Duplikat ausgestellt.

Definition und Kontrolle von Gewichten und Lasten

Da auf Verkehrskontrollplätzen die Verwiegung der Achslasten und des Gesamtgewichtes von Fahrzeugen auch dynamisch (eine flache Plattformwaage in Unterflurbauweise wird mit geringstmöglicher Geschwindigkeit übefahren) erfolgt, soll in den Begriffsbestimmungen des Gesamtgewichtes, der Achslast und der höchsten zulässigen Achslast nicht mehr auf ein stillstehendes bzw. stehendes Fahrzeug abgestellt werden.

Es wird die Grundlage für eine automationsunterstützte Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen über die zulässigen Gesamtgewichte, Achslasten und Abmessungen der Fahrzeuge geschaffen. Die rechtliche Grundlage für die Erfassung der dafür benötigten Daten muss ebenfalls normiert werden. Weiters soll damit auch gleich die Grundlage geschaffen werden, dass diese Daten auch für die technischen Unterwegskontrollen verwendet und verarbeitet werden dürfen und nicht neuerlich erfasst werden müssen.


Im Ministerialentwurf vorgeschlagen, in der Begutachtung zerzaust, in der Regierungsvorlage gestrichen:

Fahrlehrerausbildung: Mitfahren im Rettungsauto

Nachdem die Rettungsgasse (erwartbar, aber bitte) nicht so megasuper funktioniert, kommt ein neuer – mit Verlaub: besonders schwachsinniger – Vorschlag:

Vor Erteilung einer Fahrlehrer- oder Fahrschullehrerberechtigung soll ein Nachweis über ein mindestens vierstündiges Mitfahren in einem Einsatzfahrzeug bei einer Rettungsorganisation vorgelegt werden müssen. Dadurch soll den angehenden Fahr(schul)lehrern die Situation und das Verhalten der Lenker dieser Einsatzfahrzeuge unmittelbar vor Augen geführt werden, damit sie sich besser in deren Lage versetzen und das dann in der künftigen Ausbildung der Kandidatinnen und Kandidaten mitberücksichtigen können.

Was gegen diesen Vorschlag spricht, hat Roland Zigala von der Fahrschule Deutsch-Wagram zusammengefasst.